Für seine Meisterwerke der Ingenieurbaukunst erhält der Stuttgarter Professor Jörg Schlaich den Fritz-Leonhardt-Preis. Schlaich, Konstrukteur des filigranen Killesbergturms, gilt als bester Brückenbauer der Welt.
Fast 500 Ehrengäste waren am 22. November 2002 zur Preisverleihung in den großen Saal der Staatsgalerie gekommen, wo die Ingenieurkammer Baden-Württemberg Jörg Schlaich für sein berufliches Lebenswerk auszeichnete. Der Baseler Professor René Walther, ein langjähriger Freund Schlaichs, erinnerte in seiner Laudatio an das "unerhört breite Spektrum seines Schaffens". Als gelehriger Schüler des großen Baumeisters Fritz Leonhardt, mit dem die Zusammenarbeit nicht immer einfach gewesen sei, habe Schlaich den Grundstein für seine Karriere gelegt. Die Arbeit mit dem Bauingenieur Schlaich habe ihm immer Anregungen gebracht. "Aber die Reisen mit dem Preisträger waren stets ein Parforceritt." Walther rief dem Geehrten zu etwas weniger Hektik und wünschte ihm, dass sein Traum - der Bau eines solaren Aufwindkraftwerkes - noch in Erfüllung gehen möge.
"Wir schätzen Sie", bekannte Verkehrsminister Ulrich Müller, der die Auszeichnung überrechte. Schlaich stehe auf der großen Tradition schwäbischer Baumeister. "Sie haben aber auch Brücken zwischen der Fachwerk und der Allgemeinheit gebaut", so Müller. Dies sei in einer Zeit, in der sich Wissen immer stärker spezialisiere, ein ganz besonderes Verdienst.
"Trotz der vielen Lobesworte werde ich nicht abheben", sagte Schlaich in seiner ‚Rede. Er habe mit Sturheit und Fleiß, dem schwäbischen Ersatz für Intelligenz, viel von Fritz Leonhardt gelernt. Dieses Wissen wolle er weiterhin anwenden. "Es gibt noch viel Arbeit, wir müssen nur alle anpacken".
Der am 17. Oktober 1934 in Stetten im Remstal geborene Pfarrerssohn beschäftigt sich seit Jahrzehnten vor allem mit dem Brückenbau. Dabei stellt der frühere Professor der Fakultät für Bauingenieurwesen an der Stuttgarter Universität hohe Ansprüche and die Ästhetik der Konstruktion. Der heute 68-jährige Bauingenieur engagiert sich auch für die Umwelt. Bekanntestes Beispiel dafür ist seine Entwicklung von solaren Aufwindkraftwerken zur Energieversorgung. In Stuttgart hat Schlaich mit Brücken am Löwentor und am Max-Eyth-See sowie dem filigranen Killesbergturm im Höhenpark markante Zeichen seiner Ingenieurkunst gezeigt.
Ein herausragendes Beispiel für Schlaichs Brückenbaukunst ist die Hooghly-Brücke im Ganges-Delta bei Kalkutta, die 1992, nach einer Bauzeit von 23 Jahren für den Verkehr freigegeben wurde. Trotz aller Schwierigkeiten hat Schlaich nie aufgegeben. Als er feststellte, dass Indische Arbeiter nicht schweißen können, wurde die Brücke genietet.
Schlaich ist der zweite Träger des seit 1999 alle drei Jahren zu Ehren von Fritz Leonhardt, dem Erbauer des Stuttgarter Fernsehturms, verliehenen und mit 20.000 Euro dotierten Ingenieurpreis. Als erster Preisträger war 1999 der französische Bauingenieur Michel Virlogeux, Konstrukteur der Normandiebrücke bei le Havre, geehrte worden.