Das Jahr 2013 ist für die baden-württembergischen Ingenieure gut angelaufen. Insgesamt erwarten sie ein ähnlich zufriedenstellendes Geschäftsjahr wie das vorherige, wie eine Mitgliederumfrage der Ingenieurkammer Baden-Württemberg (INGBW) ergab. Sorge bereiten den Ingenieuren allerdings der zunehmende Preisdruck und der sich verschärfende Fachkräftemangel.
Die meisten Büros – rund 65 Prozent – bewerten laut der Umfrage ihre aktuelle Geschäftslage als gut, rund 30 Prozent als befriedigend, 4 Prozent als schlecht. Im Frühjahr 2012 fiel dieses Bild noch positiver aus. Damals bezeichneten 72 Prozent ihre Geschäftslage als gut, 26 Prozent als befriedigend und 2 Prozent als schlecht. Der Umsatz ist in den ersten vier Monaten des Jahres 2013 im Vergleich zum Vorjahreszeitraum bei fast 60 Prozent der Büros gleichgeblieben. 25 Prozent konnten ihn steigern, bei fast 17 Prozent sank der Umsatz. Die aktuelle Ertragslage beschreiben jeweils 45 Prozent als gut oder befriedigend, über 9 Prozent als schlecht. Jedes dritte Büro konnte sein Auftragsvolumen im Vergleich zum Vorjahr tendenziell steigern, für die Mehrheit (rund 53 Prozent) bleibt es in etwa unverändert.
Mit dem zurückliegenden Jahr waren die Ingenieure relativ zufrieden: Für über 62 Prozent der Büros war 2012 ein gutes Jahr, 32 Prozent bewerten es als befriedigend, 6 Prozent als schlecht. Für das Ge-samtjahr 2013 erwarten nur knapp 20 Prozent allgemein eine bessere Geschäftsentwicklung, 27 Pro-zent erwarten eine Umsatzsteigerung. Ein Großteil (60 Prozent) rechnet mit einem gleichbleibenden Umsatz. Rund 13 Prozent sind hinsichtlich der Geschäftsentwicklung pessimistisch und befürchten auch einen niedrigeren Umsatz.
"Die baden-württembergischen Ingenieurbüros sind noch gut ausgelastet mit Ausnahme derjenigen, die im Straßenbau tätig sind. Der Optimismus überwiegt noch", sagte INGBW-Hauptgeschäftsführer Daniel Sander. "Allerdings bereitet uns Sorge, dass immer mehr Büros von einem sich verschärfenden Preiswettbewerb berichten", sagte Sander.
Das größte Risiko für ihre wirtschaftliche Entwicklung sehen die Ingenieure demnach im Preisverfall (über 25 Prozent), im Fachkräftemangel (rund 24 Prozent), in der sinkenden Inlandsnachfrage (rund 17 Prozent), in den Arbeitskosten (knapp 15 Prozent) und in der Wirtschaftspolitik (knapp 13 Prozent). Hier werden vor allem die Steuerbelastung und wegbrechende Aufträge infolge der Straßenbaupolitik des Landes genannt.
Die Umfrage hat ergeben, dass Ingenieurleistungen im Baubereich vermehrt unterhalb der vorgeschriebenen Sätze der Honorarordnung für Architekten und Ingenieure (HOAI) angeboten werden. Selbst die öffentliche Hand halte die Honorarordnung, die Preisdumping und einen damit verbundenen Qualitätsverlust im Baubereich verhindern soll, zum Teil nicht ein, berichten Mitglieder und fordern, die Einhaltung der HOAI strenger zu überwachen.
Die HOAI wird derzeit im Bund neu geregelt und soll noch in dieser Legislaturperiode verabschiedet werden. Bundeswirtschaftsminister Philipp Rösler (FDP) lehnt allerdings die Forderung der Länder ab, alle bauspezifischen Ingenieurleistungen in das Regelwerk aufzunehmen. "Dass bestimmte wichtige Beratungsleistungen der Ingenieure nicht geregelt und somit unter Wert angeboten werden können, schadet unweigerlich der Qualität und gefährdet somit den Verbraucherschutz", warnte INGBW-Hauptgeschäftsführer Sander.
"Die Kammer kämpft deshalb für eine auskömmliche und gerechte Entlohnung und setzt sich für eine effektive Überwachung der Honorarsätze durch die Einrichtung einer zentralen Abrechnungsstelle ein. Für einen wirksamen Verbraucherschutz und gegen Preisdumping braucht man eine gesetzliche Kammermitgliedschaft aller im Baubereich tätigen Ingenieure, damit die Kammer die Einhaltung der gesetzlichen Gebührenordnung überwachen kann", sagte er.
Der Fachkräftemangel trifft die Branche mittlerweile empfindlich. Die Mehrheit der Büros hat zunehmend Probleme, Fachkräfte zu finden (insgesamt knapp 74 Prozent). Jedes dritte Büro hat sogar "große Schwierigkeiten", offene Stellen zu besetzen. Jedes fünfte befragte Ingenieurbüro stellt derzeit neu ein.
"Ungefähr jeder achte Ingenieur wird in den nächsten zehn Jahren in den Ruhestand gehen. Demgegenüber ist aber die Zahl unserer Hochschulabsolventen in den ingenieurwissenschaftlichen Fächern zu niedrig, um den immer größer werdenden Nachwuchsbedarf zu decken", sagte INGBW-Hauptgeschäftsführer Sander. "Eine Abbrecherquote an den Universitäten von knapp 50 Prozent in den Ingenieurwissenschaften ist einfach zu hoch. Baden-Württemberg ist deshalb kurzfristig auf den Zuzug von ausländischen Fachkräften dringend angewiesen", sagte er. "Langfristig muss aber in der Bildungspolitik angesetzt werden. Ganz offensichtlich reicht die schulische Vorbildung zahlreicher Studienanfänger in den Fächern Mathematik und Physik nicht für das Universitäts- und Hochschulstudium. Viel zu viele Studierende müssen das Studium abbrechen, da sie die Prüfungen in diesen Fächern nicht bestehen. Hier müssen Schul- und Hochschulsystem besser zusammenarbeiten", fügte er hinzu.
Die INGBW vertritt als Körperschaft des öffentlichen Rechts die Interessen der Ingenieurinnen und Ingenieure in Baden-Württemberg. Die Kammer steht Ingenieuren aller Fachgebiete offen. Zu den rund 2.600 Mitgliedern gehören die sogenannten Beratenden Ingenieure im Baubereich, deren Berufsbezeichnung geschützt ist und die nach dem Ingenieurkammergesetz Baden-Württemberg Pflichtmitglieder sind, außerdem beamtete sowie selbständig tätige Ingenieure als freiwillige Mitglieder.
Ein Viertel der befragten Mitgliederbüros ist dem Ingenieurbau zuzurechnen, 12 Prozent gehören zum Bereich Bautechnik oder Baubetrieb, jeweils rund 10 Prozent zum Vermessungswesen, zum Verkehrs-wesen sowie zur Siedlungswasserwirtschaft, der Rest verteilt sich auf die übrigen Ingenieurbranchen.