"Der Mangel an Ingenieursachverstand hat nun dazu geführt, dass nicht einmal mehr Ausschreibungen von Ingenieurleistungen, geschweige denn Angebotsprüfungen realisiert werden können", kritisiert Wulle. "Die Landesregierung muss nun endlich dafür sorgen, dass wieder Ingenieure im Öffentlichen Dienst einstellt werden. Wenn dies kurzfristig nicht möglich ist, muss man sich endlich zu einer anderen praktikablen Lösung entschließen: Die INGBW hat der Landesregierung bereits vor Jahren nahegelegt, Aufgaben der technischen Verwaltungen, die nicht hoheitlich sind, 'Beratenden Ingenieuren' zu übertragen. Diese sind kompetent, im Auftrag des Landes zum Beispiel Ausschreibungen vorzunehmen oder Angebote zu prüfen. Eine solche öffentlich-rechtliche Beleihung gibt es schon heute, etwa bei öffentlich bestellten Vermessungsingenieuren. Dies kann ohne weiteres als Muster dienen."
Ein "Beratender Ingenieur" ist für solche Aufgaben besonders geeignet, denn er darf die gesetzlich geschützte Berufsbezeichnung "Beratender Ingenieur" nur tragen, wenn er gegenüber den Ingenieurkammern seine Unabhängigkeit sowie eine langjährige Berufspraxis nachweisen kann. Der Titel entspricht also einem Qualitätssiegel.
"Nicht nur der Straßenbau leidet unter dem Mangel an Ingenieuren im Öffentlichen Dienst. Auch bei Störungen oder Änderungen im Bauablauf fehlt den Ingenieuren heute ein kompetenter Ansprechpartner in den Verwaltungen – einer der Gründe für das Ansteigen der Kosten beim öffentlichen Bau", fügt INGBW-Präsident Wulle hinzu. Um das Problem in den Verwaltungen zu lösen, muss das Land nach Ansicht der INGBW aber langfristig dafür sorgen, dass die Rahmenbedingungen für Jungingenieure im öffentlichen Dienst attraktiver werden. "Notwendig ist eine höhere Einstiegsbesoldung für Ingenieure, bessere Aufstiegschancen sowie die Abschaffung der Stellenbefristung in der technischen Verwaltung", sagt Wulle.
Dass es in Baden-Württemberg keine neuen Straßenbauprojekte gibt, hat mittlerweile Auswirkungen auf den Berufszweig der Ingenieure. Rund 400 mittelständische Mitgliederbüros der Ingenieurkammer Baden-Württemberg mit insgesamt rund 5.000 Mitarbeitern sind durch den Planungsstopp des Landes in ihrer Existenz bedroht. Nach einer Kammerumfrage müssen die Ingenieure rund 90 Prozent Umsatzeinbrüche durch fehlende neue Infrastrukturmaßnahmen allein im Straßenbau durch das Land Baden-Württemberg hinnehmen. "Eine weitere Konsequenz ist, dass der Ingenieursachverstand in der Fachrichtung Verkehrsplanung in unserem Land verloren geht, da der Nachwuchs davor abgeschreckt wird, sich auf diesem Gebiet zu spezialisieren", warnt INGBW-Präsident Wulle.